Kaukasiendeutsche

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Kaukasiendeutsche waren deutschstämmige Einwohner des Russischen Reiches und der Sowjetunion, die in den Gebieten des Kaukasus siedelten. Sie kamen meist in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts ins Land. Es gab deutsche Kolonien im Nordkaukasus, Georgien, Aserbaidschan und Armenien. Die Siedlungen in Transkaukasien wurden stark von schwäbischen Auswanderern geprägt, im Nordkaukasus von Wolgadeutschen, die einen hessischen Dialekt sprachen. Ende des 19. Jahrhunderts ließen sich bayerische und württembergische chiliastisch geprägte Protestanten im Nordkaukasus nieder.

Deutsche in Georgien

Nach Georgien wanderten zwischen 1817 und 1819 2.629 schwäbische radikale Pietisten ein (in der Literatur auch „Separatisten“ genannt, da sie sich von der Landeskirche abspalteten). Sie hatten bei Zar Alexander I. um eine Genehmigung zur Ansiedlung nachgesucht. Sie wurde im Mai 1817 erteilt. Der erste Siedlertross traf im Dezember des gleichen Jahres in Georgien ein.

Etwa 500 Großfamilien gründeten 1818 nahe Tiflis, unterstützt von der russischen Regierung, acht Kolonien. In der Umgangssprache hießen sie bald die „Schwabendörfer“. Der größte Ort war Katharinenfeld, wo zunächst 95 Familien, später 116 Familien lebten. Der Name sollte die württembergische Königin Katharina, die Schwester von Zar Alexander I. ehren. Im Ort gab es fünf Fußballmannschaften, eine deutsche Zeitung, eine Grundschule, eine lutherische Kirche mit Chor, einen Jägerverein, eine Theatergruppe und einen Stadtpark. Marienfeld, Elisabethtal, Alexandersdorf und Petersdorf machten wegen ihrer schnurgeraden, gepflasterten Straßen von sich reden. Von diesen ersten Kolonien spalteten sie später weitere Siedlungen ab, wie Freudenthal (1842) und Alexanderhilf (1857).

Deutsche Winzer in Georgien (1938)

Auch in Tiflis siedelten sich deutsche Kolonisten an. Sie bauten den deutschen Stadtteil Neutiflis, arbeiteten als Handwerker, Kaufleute und Hoteliers. Es entstanden ein deutsches Gymnasium und eine evangelisch-lutherische Kirche. In Abchasien entstanden die Siedlungen Neudorf, Lindau und Gnadenberg bei Sochumi. 1918 gab es in Georgien mehr als 20 von Kaukasiendeutschen gegründete Dörfer.

Der deutschbaltische Forscher Friedrich Parrot berichtete von seiner Expedition zum Berg Ararat 1829, dass er in der Gegend von Tiflis württembergische Siedler getroffen habe: „In der Geschwindigkeit wurden auch […] morgenländische[] Kleinigkeiten […] eingekauft, und eben wollten wir uns entfernen, als, recht um uns den Kontrast dieses morgenländischen Treibens mit europäischem Wesen recht lebhaft vor die Augen zu führen, zwei württembergische Frauen mit fünf Kindern über den Basar dahinritten und in echt schwäbischem Dialekt untereinander sprachen, ohne ihrerseits gleichfalls zu ahnen, daß in diesem Gewühle von Menschen ein für ihre Sprache empfängliches Ohr sich befinden könnte.“ Er zählte ihre Siedlungen auf und besuchte selbst Katharinenfeld und Elisabethtal: „Diese Niederlassungen geben sich in ihrem ganzen Erscheinen nach Bauart, Landeskultur, Fuhrwerk, Gerätschaften, nach Lebensweise, Kleidung und Sprache auf den ersten Blick als deutsche Niederlassungen kund und kontrastieren daher auf eine ihnen sehr vorteilhafte Weise mit den Wohnsitzen der Eingeborenen, besonders wenn man eine längere Zeit bloß unter diesen letzteren gelebt hat, wie es bei mir der Fall war. […] Endlich, nach fünfstündigem Ritt, erblickte ich hoch auf dem linken Ufer des Flusses [d.h. des Chrami], unverkennbar an den regelmäßig gebauten, weißen Häusern mit ordentlichen Fenstern, Türen und Schornsteinen die deutsche Kolonie; freudig ritt ich heran, es war Katharinenfeld.“

Von 1906 bis 1922 verlegte Kurt von Kutschenbach in Tiflis die deutschsprachige Wochenzeitung „Kaukasische Post“, die sich die „einzige deutsche Zeitung im Kaukasus“ nannte. Chefredakteur war der Schriftsteller und Journalist Arthur Leist.

Deutsche im Nordkaukasus

Bereits 1880 siedelten sich die ersten 17 deutschen Familien an einem Ort an, der als Gnadenburg bekannt werden sollte. Sie kamen zumeist aus dem bayerischen Mittelfranken sowie aus Württemberg. Mit dem vertraglichen Kauf des Bodens am 15. Mai 1881 wurde Gnadenburg offiziell gegründet. Organisator der Ortsgründung war der bayerische lutherische Pfarrer Samuel Gottfried Christoph Cloeter (1823–1894), der von 1861 bis 1880 in Illenschwang tätig war, einem Dorf im damaligen Bezirk Dinkelsbühl. Er prägte den Namen Gnadenburg, weil die Gnade Gottes wie eine sichere Burg sei. Er pflegte eine dezidiert endzeitliche und chiliastische Frömmigkeit, die mit dem baldigen Auftreten der widergöttlichen Macht des Antichristen rechnete. Dabei vertrat er die Lesart, die bereits im ausgehenden 18. und beginnenden 19. Jahrhundert separatistische pietistische Kreise bewogen hatte, in den Kaukasus auszuwandern: Nur in Russland könne man sich demnach der Herrschaft des Antichristen entziehen. Hergeleitet wurde diese Auffassung aus einer spezifischen Interpretation bestimmter Bibelstellen wie z. B. Hesekiel 38, wo es in Vers 3 heißt: „So spricht Gott der HERR: Siehe, ich will an dich, Gog, der du der oberste Fürst bist von Meschech und Tubal!“ Meschech und Tubal wurden als Moskau und Tobolsk und damit als pars pro toto für Russland gedeutet. Mit dieser Lehre war es Cloeter gelungen, fromme Familien im fränkisch-schwäbischen Umland seiner Illenschwanger Kirchengemeinde zur Emigration zu bewegen.

1882 lebten in der Kolonie Gnadenburg bereits 52 Familien. Cloeter und seine Anhänger betrachteten die deutschen evangelischen Staatskirchen sehr kritisch und schwankten zwischen einem völligen Rückzug aus der Volkskirche und einer gemäßigten innerkirchlichen Distanz, wie sie z. B. in der Gemeinschaftsbewegung praktiziert wurde. So orientierten sich die Siedler in Gnadenburg zunächst an einem eher freikirchlichen Gemeindewesen analog der Herrnhuter Brüdergemeine, näherten sich aber im Laufe der Jahrzehnte mehr und mehr der lutherischen Kirche wieder an. 1933 traten die Gnadenburger Protestanten offiziell der Lutherischen Kirche Russlands bei. Ab 1892 erhielt Gnadenburg verschiedene kirchliche Gebäude und Einrichtungen: eine Kirche mit Glockenturm, ein Schulhaus und einen Kindergarten sowie ein Pfarrhaus. Die Siedler lebten von Getreide- und Weinanbau sowie von Handwerk und Handel. 1941 lebten etwa 900 Einwohner in 159 Familien im Dorf. Ende des Jahres 1941 wurde die gesamte deutsche Bevölkerung Gnadenburgs nach Kasachstan deportiert und der Ort in Winogradnoje (= Weingartendorf) umbenannt. Es siedelten sich Osseten und Russen an

Siedlungsgebiet

Städte/Siedlungen

Georgien

  • Neu Tiflis
  • Alexanderdorf
  • Marienfeld
  • Katharinenfeld

Nordkaukasus

  • Tempelhof
  • Kuban
  • Olgino
  • Suvorovka

Einwohnerzahl

1941
5000

1991
1500


Weitere Informationen

https://de.wikipedia.org/wiki/Kaukasiendeutsche
Schwaben im Kaukasus
Schwäbische Spuren in Georgien

Links/Quellen

Landsmannschaft der Deutschen aus Russland e.V.
Geschichte der deutschen Siedler im Kaukasus
Paata Vardanashvili from Tiflis, Georgia – Mikheil ave. (Now David Agmashenebeli Ave.) and Deutsche kirche