Bessarabiendeutsche

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Die Bessarabiendeutschen sind eine deutsche Volksgruppe, die zwischen 1814 und 1940 in Bessarabien (jetzt unter der Republik Moldau und Ukraine aufgeteilt) lebte, heute jedoch bis auf wenige Einzelpersonen dort nicht mehr vertreten ist. Sie wanderten in einer Größenordnung von etwa 9000 Personen zwischen 1814 und 1842 aus Baden, Württemberg, dem Elsass, Bayern und heute zu Polen gehörenden Teilen Preußens nach Bessarabien ein. Das Gebiet am Schwarzen Meer war damals als Neurussland Teil des Russischen Kaiserreiches, später wurde es zum Gouvernement Bessarabien.

Geschichte

Anwerbung
Im sechsten Türkenkrieg zwischen 1806 und 1812 eroberten Truppen des russischen Zaren Alexander I. Bessarabien. In dem einst ostmoldauischen Gebiet richtete er das Gouvernement Bessarabien ein, das kleinste des Zarenreichs. Hauptstadt wurde das mittelbessarabische Kischinew.

Nomadisierende Tatarenstämme aus dem südlichen Landesteil von Bessarabien, dem Budschak, wurden nach der russischen Eroberung ausgewiesen oder zogen freiwillig ab. Das Gebiet war danach dünn besiedelt und weitgehend ungenutzt. Zur Kolonisierung des brachliegenden, aber fruchtbaren Landes warb Russland ab 1813 im Ausland gezielt Siedler an. Russische Untertanen waren noch bis 1861 Leibeigene. Die Angeworbenen sollten vor allem die Landwirtschaft auf dem fruchtbaren Schwarzerdeboden verbessern.

Zar Alexander I. erließ am 29. November 1813 ein Manifest, in dem er deutschen Siedlern folgende Privilegien versprach, zum Teil auf ewig:

  • Landschenkung
  • Zinsloser Kredit
  • Steuerfreiheit auf zehn Jahre
  • Selbstverwaltung
  • Religionsfreiheit
  • Freiheit vom Militärdienst

Das Angebot galt den deutschen Siedlern im Wartheland, besonders bei Łódź, im Herzogtum Warschau. Daher wurden sie später als Warschauer Kolonisten bezeichnet. Sie stammten aus Preußen, Württemberg und Baden und wurden nach den Teilungen Polens durch Preußen angeworben. Sie hatten sich erst wenige Jahre zuvor dort niedergelassen. Der Zar war auf ihre trostlose Lage bei der Verfolgung der Grande Armée aufmerksam geworden.

Die zweite Auswanderungswelle nach Bessarabien kam aus dem südwestdeutschen Raum, insbesondere aus Württemberg. Die Auswanderer wurden von Werbern der russischen Krone nach Südrussland eingeladen. Ihren Höhepunkt hatte die Auswanderung um 1817/18, nachdem im Jahr ohne Sommer 1816 das Auswanderungsverbot in Württemberg aufgehoben worden war.

Das zaristische Russland siedelte die deutschen Auswanderer in Bessarabien planmäßig an. Sie bekamen in Südbessarabien, auf weiten, baumlosen Steppenflächen des Budschak, Flächen von insgesamt 1.500 km² zur Verfügung gestellt. Im Sprachgebrauch der Bessarabiendeutschen war es Kronland, weil es von der russischen „Krone“ (dem Zaren) zur Verfügung gestellt wurde. In der ersten Siedlungsphase bis 1842 entstanden 24 deutsche (Mutter-)Kolonien. Die Flur- und Ansiedlungsflächen sowie der Grundriss der Siedlungen waren von der russischen Ansiedlungsbehörde vorgegeben. Die so neu entstandenen Dörfer hatten alle den gleichen Siedlungsgrundriss als Straßendorf. Angelegt wurden die Siedlungen meist in einem langgestreckten Tal mit sanft ansteigenden Hügeln. Nur sehr wenige Ankömmlinge fanden im Land sogenannte Kronshäuschen vor, die vom russischen Staat (der „Krone“) schon errichtet worden waren. Meist hausten sie am Anfang in selbst gegrabenen Erdhütten. Schon die Ankunft war eine Enttäuschung, denn die Auswanderer stießen in kaum besiedeltem Land auf eine Ödnis mit hohem Gras, Disteln und Unkraut. Über das weitläufige Land zogen Viehherden von moldauischen Pächtern, die die Felder der Ansiedler zerstörten.

Selbstverwaltung
Die vom Zaren bei der Anwerbung versprochene Selbstverwaltung der deutschen Ansiedler leitete eine russische Sonderverwaltung unter dem Namen Fürsorgekomitee für die Kolonisten Südrusslands (vormals: Vormundschaftskontor für die ausländischen Ansiedler in Neurussland). Es handelte sich um den Ansiedlungsstab für alle Neuansiedler, der auch die weitere Entwicklung im Schwarzmeergebiet begleitete. Der Sitz befand sich zunächst in Kischinew und ab 1833 in Odessa. Die Amtssprache der Behörde war Deutsch. Ihr gehörten ein Präsident und rund 20 Mitarbeiter (Beamte, Übersetzer, Arzt, Tierarzt, Landvermesser) an. Die Ansiedlung und Förderung der Siedler war gleichzeitig ein russischer Modellversuch zur Gewinnung von Erfahrungen. Diese sollten der eigenen, rückständigen Landwirtschaft in Zeiten von Leibeigenschaft zugutekommen.

Seit der Einwanderung hatten die Siedler den privilegierten Status von Kolonisten unter Führung des Fürsorgekomitees für die Kolonisten Südrusslands inne. 1871 wurden die einst auf ewig zugesagten Privilegien zurückgenommen. Man war der Meinung, dass die Kolonisten wegen ihrer guten wirtschaftlichen Lage keiner Förderung mehr bedurften. Die Einführung des 15-jährigen (sechs aktive, neun Reservistenjahre) Militärdienstes ab 1874 und die Landknappheit führten schlagartig zu einer Auswanderung von schätzungsweise 25.000 Personen, insbesondere nach Nordamerika, Brasilien oder Argentinien. Trotz dieser Emigration aus Bessarabien war die deutschstämmige Bevölkerung von 9000 eingewanderten Personen innerhalb von 125 Jahren bis 1940 auf etwa 93.000 Personen angewachsen.

Bessarabiens Anschluss an Rumänien
Die Bessarabiendeutschen waren seit ihrer Auswanderung aus den Staaten des Deutschen Bundes über 100 Jahre lang Untertanen des russischen Zaren. Zwischen 1918 und 1940 wurden sie für 22 Jahre rumänische Staatsangehörige. Dies war Folge der russischen Oktoberrevolution 1917, als auch in Bessarabien Unabhängigkeitsbestrebungen aufkamen. Unter der Bezeichnung „Landesrat“ (Sfatul Țării) bildete sich in der bessarabischen Hauptstadt Chișinău (russ. Kischinew) eine nationale Volksversammlung, die die Regierung übernahm. Der Landesrat erklärte 1918, wohl wegen der rumänischen Mehrheit in der Bevölkerung, den Anschluss an Rumänien. Die Bessarabiendeutschen entgingen dadurch dem Schicksal der übrigen Russlanddeutschen und der benachbarten Schwarzmeerdeutschen in der Sowjetunion, das aus sozialer Benachteiligung bis hin zur Deportation oder Zwangsarbeit bestand. Dafür schränkte der rumänische Staat teilweise die kulturelle Autonomie der Bessarabiendeutschen (wie aller Minderheiten) ein. In der Öffentlichkeit durfte nur noch Rumänisch gesprochen werden.

Siedlungsgebiet

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Städte/Siedlungen

  • Krasna
  • Klöstitz
  • Borodino
  • Beresina
  • Teplitz
  • Leipzig
  • Friedenstal
  • Lichtental
  • Hoffnungstal

Einwohnerzahl

1826
9.000

1862
24.160

1897
60.000

1919
63.300

1930
81.100

1940
93.300

Weitere Informationen

Bessarabiendeutscher Verein e.V.

Literatur

Bessarabien. Spuren in die Vergangenheit: Eine Bilddokumentation
Heimat in der Fremde: Schicksalsweg der Deutschen aus Bessarabien
Bessarabien: Deutsche Kolonisten am Schwarzen Meer

Links/Quellen

https://de.wikipedia.org/wiki/Bessarabiendeutsche
http://bessarabien-expo.info/ausstellung/karte/